Generation R(ente)
Warum sich in Gesellschaft und Wirtschaft das Bild vom Alter ändern muss.
Erschienen: BVMW, 21.08.2024
Gastautorin Beate M. Reisinger sieht die dringende Notwendigkeit, das Altersbild zu
modernisieren, um das Potenzial älterer Menschen besser zu schätzen und zu
nutzen. Sie beschreibt konkrete Maßnahmen, die Einzelpersonen, Unternehmen, die
Gesellschaft und die Politik ergreifen können, um ein modernes Altersbild zu fördern.
Es braucht Ihrer Meinung nach nicht weniger als einen Ruck durch die ganze
Gesellschaft.
Warum wollen so viele Menschen alt werden, aber nicht alt sein? Warum werden
ältere Menschen für ihre Lebenserfahrung und auch Weisheit oft genug nicht
genügend geschätzt?
Stattdessen verabschieden sich Männer wie Frauen in die Frührente, begeben sich
in den Rentnerstress und/oder kämpfen wider besseres Wissen mit teils abstrusen
Mitteln gegen Falten und andere Alterserscheinungen. Immer in der Hoffnung, den
schleichenden Altersprozess aufzuhalten. Denn das Bild des Alters ist oft noch
negativ geprägt und wird verbunden mit nachlassender Vitalität, Krankheit,
Persönlichkeitsveränderung. Es ist an der Zeit, das verstaubte Image vom Alter über
Bord zu werfen und das Potenzial der älteren Generationen zu revitalisieren.
Denn wir sind längst in einer neuen Ära, der „VUCA“-Welt, angekommen und mit
Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Ambiguität konfrontiert. Es gibt kein
Ausruhen und Fortführen des bisherigen Erfolgsmodells mehr, der
Generationenvertrag hat sich totgelaufen. Jetzt sind Anerkennen der Fakten der
neuen Ära, Mut, Klarheit, Agilität und individuelle Lösungen in der Umsetzung
gefragt.
Interessanterweise sind sich die EU und die UNO nicht einig, wer denn nun in die
Gruppe der älteren Menschen fällt. So gehören wir laut Europarat mit 65 Jahren zu
den älteren Menschen, für die UNO gilt das schon für die 60-Jährigen. Üblich in
Deutschland ist folgende Differenzierung: mit 60 bis 65 Jahren setzt der Übergang
ins Alter ein. Die Altersgruppe zwischen 60 und 74 Jahren sind die sogenannten
jungen Alten.
Rollator vs. E-Roller?
Eines ist aber klar: Altersbilder, die sich ausschließlich auf Schiffsreisen, Rente oder
Pflege fokussieren, werden dem tatsächlichen Beitrag älterer Menschen nicht
gerecht. Ebenso wenig wie das oft in der Werbung propagierte Bild der „crazy Alten“,
die es jetzt aber mal so richtig krachen lassen wollen.
Tatsache ist, viele Senioren sind fit und gesund und wollen (teilweise müssen sie
aufgrund mangelhafter finanzieller Alterssicherung) weiterhin produktiv sein. Sie
wollen mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung zur Gesellschaft und Wirtschaft
beitragen.
Als Wirtschaftsexpertin und langjährige Business-Coachin habe ich zahlreiche
Lebensentwürfe gesehen und dabei Erkenntnisse gewonnen, wie sich ein modernes
Altersbild etablieren ließe.
Einige konkrete Maßnahmen, die Einzelpersonen, Unternehmen, die Gesellschaft
und die Politik ergreifen können, um ein modernes Altersbild zu fördern, werden von
mir nachfolgend beschrieben.
Was kann jede/r Einzelne tun?
- Lebenslanges Lernen: Ermutigen Sie ältere Menschen, kontinuierlich neue
Fähigkeiten zu erwerben und ermutigen Sie sich selbst dazu, wenn Sie zu der
Gruppe gehören.
- Mentoring: Nutzen Sie die Erfahrung älterer Generationen, um jüngere
KollegInnen zu unterstützen. Geben Sie Ihr Wissen weiter, sei es im
Firmenkontext oder ehrenamtlich. Unterschätzen Sie Ihre gemachten
Erfahrungen dabei nicht und bringen Sie sich ein.
Was können Unternehmen tun?
- Altersdiversität fördern: Schaffen Sie altersgemischte Teams und profitieren
Sie vom Erfahrungsschatz älterer Mitarbeitenden. Bieten Sie Foren zum
Austausch zwischen Alt und Jung an und schaffen Sie zeitlich und physisch
ansprechende Räume dafür. Organisieren Sie gesamthaft einen
Wissenstransfer im Unternehmen und Etablieren Sie eine wertschätzende
Zusammenarbeit über alle Altersgruppen hinweg. Dazu ist eine
Verhaltensänderung über alle Führungs- und Mitarbeitenden-Ebenen nötig,
die im Verhaltenskodex verankert werden soll.
- Flexible Arbeitsmodelle bieten: Unterstützen Sie die Bedürfnisse älterer und
jüngerer Mitarbeitender genauso wie diejenigen der GenZ durch flexible
Arbeitszeiten und Homeoffice, Shared-Desk-Modelle, Rückzugsräume,
adäquate Kommunikations- und Lernmethoden. Schaffen Sie Möglichkeiten,
Erfolge zu feiern und Zusammenarbeit, Mut, Kreativität und Diversität zu
honorieren.
Was kann die Gesellschaft beitragen?
- Positive Altersbilder unterstützen: Fördern Sie Medienkampagnen und
Bildungsprogramme, die ein positives Bild des Alterns vermitteln. Begleiten
Sie sog. „Seniorenarbeitende“ durch ihren Tag, ihre Aktivitäten und zeigen Sie
die Vielfalt der Möglichkeiten und auch deren Bedürfnisse auf. Unterstützen
Sie auf „allen Kanälen“ das Mindset zum Alter positiv zu entwickeln, mit einem
Slogan wie: Senioren im Rampenlicht - Vielfalt leben, Potenziale nutzen!"
- Infrastruktur anpassen: Entwickeln Sie öffentliche Räume und
Dienstleistungen, die älteren und jüngeren Menschen gemeinsam
ermöglichen, aktiv und eingebunden zu sein und zu bleiben, bis hin zur
Organisation der Nachbarschaftshilfe, Schaffung von
Mehrgenerationenhäusern, Grünflächen in Wohnanlagen und kurze Wege zu
Produkten und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs.
Was kann die Politik tun?
- Gesetzgebung gegen Altersdiskriminierung: Stärken Sie Gesetze, die
Altersdiskriminierung bekämpfen und die Beschäftigung älterer Menschen
fördern. Honorieren Sie Bestreben von Unternehmen, die älteren Menschen
eine Chance zur Weiter-Beschäftigung geben. Starten Sie Werbekampagnen,
die das gedeihliche Miteinander über Generationen hinweg beispielhaft
wertschätzend darstellen.
- Förderprogramme entwickeln: Erleichtern Sie den Wiedereinstieg älterer
Menschen ins Berufsleben durch maßgeschneiderte Programme, wie
Tandem-Modelle, auf denen Firmen ihre flexiblen Angebote aufbauen können
und steuerlich entlastet werden. Werden Sie zum Vorbild, wie Alt und Jung,
Parteienübergreifend wertschätzend agiert werden kann.
Ein modernes Altersbild in Deutschland hat große Bedeutung für das zukünftige
Funktionieren unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Die Babyboomer verabschieden
sich langsam aus der Arbeitswelt, und die Inklusion von Menschen aus anderen
Ländern steckt noch in den Kinderschuhen. Die Anerkennung und Wertschätzung für
das, was uns ältere Menschen geben können, ist entscheidend für ein fruchtbares
Miteinander.
Senioren werden die ultimative Ressource der Zukunft. Lassen Sie uns das Alter
daher als wertvolle Lebensphase verstehen, die es zu schätzen gilt und zum Wohle
aller genutzt, aber nicht ausgenutzt werden darf. Werden Sie jetzt aktiv!
Der Faktor Mensch in der Restrukturierung
Als UnternehmerIn wissen Sie, wie entscheidend der menschliche Faktor für den Erfolg von Restrukturierungsprojekten ist. Und da kann einiges schiefgehen!
Erschienen: BVMW, 21.06.2024
In ihrer Analyse beleuchtet BVMW-Mitglied Beate M. Reisinger, warum dieser Aspekt oft zu kurz kommt und bietet praxisnahe Lösungsansätze an, um nachhaltigen Erfolg zu erzielen.
In Unternehmen wird gerade in „mageren Zeiten“ eifrig Personal freigesetzt. Mal lesen wir von über einigen hundert Stellen, mal sind es einige tausend, die reduziert werden müssen, damit ein „Gap“ geschlossen wird, eine dringend erforderliche Finanzierung genehmigt wird oder ähnliches.
Es sind oftmals hehre Gedanken dahinter, denn mit der Maßnahme sollen ja auch viele Arbeitsplätze gerettet werden. Und es gibt auch Einflüsse von außen, wie die Energiepreise, die Digitalisierung, die Lieferkettenproblematik, die Kaufflaute, den Umsatzrückgang, all dem muss Rechnung getragen werden.
Wie läuft es typischerweise ab?
Das verantwortliche Führungspersonal scheint auf o.g. Situationen mit einer „Restrukturierung“ eine plausible Antwort zu haben und der Aufsichtsrat gibt grünes Licht dazu.
- Er akzeptiert die vom CEO vorgeschlagene Überprüfung der Organisation, der Prozesse und Strukturen, oft begleitet von einer Armada von externen BeraterInnen.
- Diese schwirren „über Nacht“ im Unternehmen ein und das Management vor Ort sowie der Betriebsrat werden so manches Mal vor vollendete Tatsachen gestellt.
- Die Externen sind motiviert, machen Interviews, stellen Befragungen an, treffen Annahmen und legen dem CEO Entscheidungsvorschläge vor. Sie machen ihren Job.
Es kann aber sein, dass bei der Bearbeitung, die unter enormen Zeitdruck geschieht, die Betroffenen in den Abteilungen überhaupt nicht dazu befragt werden. Die Begründung liegt auf der Hand: man fragt ja auch nicht die Frösche, wenn der Teich trockengelegt werden soll.
Wenn es im Unternehmen ungünstig läuft, sprechen die Beteiligten, also CEO, Betriebsrat und Führungskräfte im Laufe des Prozesses nicht viel, und / oder nicht vertrauensvoll miteinander.
Für den weiteren Verlauf ist das ein Desaster.
„Alternativlose Entscheidung“
Irgendwann steigt im Projektraum weißer Rauch auf, das Konzept ist fertig zur Kommunikation, die Präsentations- und Erklärungsschlacht beginnt. Die Kosten müssen runter auf ein definiertes Niveau aus der Vergangenheit, die Schonarbeitsplätze müssen weg, ebenso die Benefits, welche die Betriebsräte in den sog. fetten Jahren für die Mitarbeitenden ausgehandelt haben.
Der Personalabbau muss nun dringend umgesetzt und der Sozialplan dazu verhandelt werden.
Trommelwirbel!
Jetzt werden Betriebsrat, Führungskräfte und Mitarbeitende endlich informiert. Der Schock ist dabei groß und die Angst geht um, bis klar ist, wie die Konditionen sind und wer das Unternehmen verlassen muss.
Bei den Verhandlungen werden Rituale bedient, es kommt zu Beleidigungen, zu Missverständnissen, zum Auswechseln von Verhandlungspartnern, bis am Ende der Kompromiss zu Papier gebracht wird, mit dem alle Beteiligten „gerade noch so leben können“.
Wie man ganz einfach Fachkräfte verliert...
Dann beginnt die sog. operative Personalarbeit: das Berechnen der Abfindungen, das konfrontiert sein mit den Einzelschicksalen, die Aussprache von Kündigungen.
Genau hier ist es ganz entscheidend, wie man miteinander umgeht, wie empathisch, verständnisvoll die Personalgespräche geführt werden. Denn diejenigen Mitarbeitenden, die bleiben sollen, verfolgen aufmerksam, wie die letzte Etappe für ihre ausscheidenden KollegInnen gestaltet wird. Diese Beobachtungen sind oft entscheidend dafür, ob sie sich weiterhin dem Unternehmen verbunden fühlen oder lieber eine neue berufliche Perspektive suchen.
Sicher ist manche Restrukturierung alternativlos, aber nicht, wie sie für alle Beteiligten umgesetzt wird.
So gelingt Ihr Vorhaben wirklich!
Sie kommen an einer Restrukturierung oder Transformation nicht vorbei? Dann sollten Sie folgende Punkte beachten, damit die Restrukturierung nicht im Desaster endet:
Suchen Sie sich einen CRO (Chief Restructuring Officer), eine Projektleitung, eine/n Transformationsmanager/in, der/die folgenden Qualitäten mitbringt:
- Erfahrung und Kompetenz in der Restrukturierung,
- sehr gute Kommunikationsfähigkeiten,
- Überzeugungsfähigkeit und Durchsetzungsfähigkeit,
- starke Führungsqualitäten
Und es geht weiter:
- Stellen Sie das „richtige“ Kernteam (die am besten geeigneten Personen für das Projekt) zusammen.
- Nutzen Sie den Finanzchef als Sparringspartner
- Erstellen Sie schnell einen Plan (durch eine Gemeinschaftsarbeit zwischen CRO und Kernteam mit weiteren Internen).
- Setzen Sie diesen Plan zügig um unter Einbinden aller relevanten Stakeholder. Entwickeln Sie in jedem Fall einen Plan B und fokussieren Sie sich stets auf das Hauptziel.
- Feiern Sie mit Ihren Mitarbeitenden Etappensiege und die finale Neuausrichtung der Organisation in angemessener Weise.
Sie haben eine erfolgreiche Restrukturierung hinter sich gebracht? Dann stärken Sie das Vertrauen der Mitarbeitenden durch transparente Kommunikation und gezielte Motivation. Ich gratuliere Ihnen zu diesem Erfolg!